Wehrpassfoto

Bausoldat in Prora


Ein Bericht aus dunklen DDR Tagen!

01.11.1983. Es war der Tag, an dem ich zum Grundwehrdienst in die NVA eingezogen wurde. Eingezogen ist das richige Wort, denn für den Rest der Welt war man damit, zumindest als Spatie (so nannten sich die Bausoldaten) in Prora auf der Insel Rügen, für 18 Monate so gut wie nicht mehr auf der Bildfläche. In Zeiten von Händy und Internet kann man sich kaum noch vorstellen, wie abgeschnitten man damals war.

In der letzten Nacht zu Hause hatte ich nur schlecht geschlafen. Machte mir immer wieder bewußt, dass es für gigantische 18 Monate aus dem Haus geht. Für einen 20-jährigen ist das noch eine sehr lange Zeit. Mein Vater brachte mich mit dem PKW nach Berlin Lichtenberg zum Zug. Dort angekommen hatten wir noch 2 Stunden Zeit, die wir in der Mitropa (so hieß damals jede Gaststätte der Deutschen Reichsbahn) verbrachten. Schon da wußte ich was das Stündlein geschlagen hatte, denn jede Menge Armeestreife war unterwegs. Meinem Vater war genauso übel wie mir. Schließlich mußte er das erste seiner 4 Kinder aus der Hand geben und wußte in welche Hände von Verbrechern er das tat.

In Stralsund angekommen ging es dann in den Zug auf die Insel. Da war schon sehr auffallend, dass zu 90% nur noch Kerle unterwegs waren. Das steigerte sich dann auf 99,9% mit dem letzten Umstieg in Lietzow Richtung Binz.
14.00 Uhr. In Prora, stiegen fast alle Fahrgäste des überfüllten Zuges aus. Der Anblick erinnerte mich stark an Bilder, die ich aus Filmen über Deportationen von KZ-Häftlingen vor Augen hatte. Ein spartanischer Bahnsteig mit einer kleinen Bude für einen Bahnangestellten, der für die Masse von knapp 200 Leuten, die da plötzlich ankam, viel zu klein war. Um den Bahnhof herum war nur Wald zu sehen. Es gab keinen Zweifel: Hier war das Ende der Welt.

Bahnhof ProraKaum hatte der Zug die Station verlassen, als die ersten kommandomäßigen Anweisungen von Offizieren in unseren Ohren gellten. Jeder, der den Ernst der Lage bis dahin noch nicht kapiert haben sollte, wusste nun wohin die Reise gegangen war. Einzeln nacheinander wurden alle mit Namen aufgerufen. Meiner war nicht dabei. Doch jetzt gab es kein zurück mehr. Schließlich war ich froh, nachdem man mich 12 Monate zuvor schon einmal mit der Einberufung versetzt hatte, dass ich diese Sch.... endlich hinter mich bringen würde. Nachdem ich mich also stellte, nahmen sie mich auch mit.
Erster Anlaufpunkt in der Kaserne war die Turnhalle. Hier sollten alle eingekleidet werden. Ich weiß nicht mehr nach welchem System die Abarbeitung der Einkleidung in NVA Uniformen erfolgte. Kann mich nur noch an endlose Stunden Wartezeit erinnern. Das Abendbrot war jedenfalls durch als ich auf die Kompanie kam. Folglich war es nach 18 Uhr. Inzwischen war das Reiseproviant längst verdaut und ein Abendbrot wäre dringend nötig gewesen. Offizielle Auskunft der Kompanieleitung auf entsprechende Anfrage war die, dass es erst am nächsten Tag mit dem Frühstück etwas zu essen gibt. Doch bereits hier zeigte sich, dass unter den Bausoldaten ein anderer Geist herrschte, als bei den normalen Truppen, wo die Neulinge nur gemobbt wurden. Das fürchteten die Offiziere sehr. Die schon ein Jahr dort stationierten Spaties hatten an uns gedacht und uns mit Lebensmitteln versorgt. Als wir auf diese Weise so halbwegs abgespeist waren und die Intriege der Offiziere ihr Wirkung verlor, gab es auch offiziell noch einmal Abendbrot. Das war das erste positive Erlebnis dort und der erste Punktsieg im nun folgenden ständigen Kampf zwischen Bausoldaten und Vorgesetzten.

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